Calcutta

Auch Kolkata oder Kalkutta, eine der größten und bevölkerungsreichsten Städte Indiens. 1931 hatte die Stadt fast 1,2 Millionen Einwohner, die Bevölkerung wächst weiter rasant.

Der Kalighat-Tempel zu Ehren der Göttin Kali (hier Kalika genannt) macht die Stadt zu einem der bedeutendsten hinduistischen Wallfahrtsorte.

Geschichte

Ursprung

Der Name der Stadt leitet sich von dem Fischerdorf Kalikata her, das 1495 vom bengalischen Dichter Bipradas Pipilai zum ersten Mal erwähnt wird. Der Name bedeutet „schwarzes Tor“ oder „Tor der Göttin Kali“. 1596 berichtet der Historiker Abul Fazl (1551–1602) in seinem Werk „Ain-i-Akabari“ über den Ort.

Als der Brite Job Charnock (1630–1692), Direktor der Britischen Ostindien-Kompanie, am 24. August 1690 das Hauptquartier der Gesellschaft in Sutanuti am Ostufer des Hugli gründete, war das Flussufer bereits von den Handelsniederlassungen aus anderen europäischen Ländern gesäumt. Neben Briten, deren Basis zuvor in dem Ort Hugli am Westufer lag, hatten sich Franzosen in Chandannagar, Niederländer und Armenier in Chunchura, Dänen in Serampore, Portugiesen in Bandel, Griechen in Rishra und Deutsche in Bhadreswar eingerichtet. Gleichwohl rühmten sich die Briten mit Charnock lange Zeit der Gründung der Stadt.

Mit armenischer finanzieller Unterstützung kaufte die Ostindien-Kompanie Land um Sutanuti und stellte im Jahre 1699 ihre erste Festung in der Region fertig, genannt Fort William, nach dem König von England und Schottland, William III. (1650–1702). Nur wenige Jahre später legte die Ostindien-Kompanie Sutanuti und zwei weitere Dörfer zur Stadt Kolkata zusammen. 1715 handelte eine Delegation am Mogulhof in Delhi weitere Handelsrechte und die Übernahme mehrerer Dörfer und Städte an beiden Ufern des Hugli aus.

Britische Kolonialzeit: Aufstieg und Blütezeit

Am 19. Juni 1756 eroberte der Nawab von Murshidabad, Siraj-ud-Daula (1733–1757) die Stadt und das Fort, das erst ein Jahr später, am 23. Juni 1757, nach der Schlacht bei Plassey durch die Rückeroberung unter Robert Clive, 1. Baron Clive (1725–1774) wieder an die Ostindien-Kompanie zurückging.

Nachdem das Parlament in London im Jahre 1773 das Handelsmonopol der Gesellschaft anerkannt hatte, verlegte diese Bengalens Hauptstadt von Murshidabad nach Kolkata. 1781 wurde das heutige Fort William fertiggestellt, das nie verteidigt werden musste. Kolkata war fortan Umschlagplatz vieler Handelssparten, zu denen auch der lukrative Opiumexport nach China gehörte. Die Ostindienkompanie schaffte britische Junggesellen ins Land und machte sie zu Beamten. Die so genannten writers („Schreiber“) lebten unter spartanischen Umständen in einfachen Lehmhütten, bis sie das eigens für sie errichtete Writers Building beziehen konnten. Die jungen Männer passten sich den einheimischen Lebensgewohnheiten an und heirateten indische Frauen. So entstand eine neue euro-asiatische Gesellschaft.

Als das Parlament das Monopol der Ostindien-Kompanie nach dem Sepoy-Aufstand aufhob und die Türen des Handels öffnete, trafen zahlreiche Kaufleute und Abenteurer aus allen Teilen der Welt ein, darunter Parsen, Afghanen und Inder aus anderen Landesteilen. Juden aus Aleppo, Bagdad und Basra gehörten ab den 1820er Jahren ebenfalls zu den Neuzuzüglern. Ihre Zahl lag um 1860 bei rund 1000 und erreichte 31 Jahre später rund 2000 Personen.[8]

Prächtige Bauwerke, wie Court House, Government House und St Paul’s Cathedral trugen Kolkata im 19. Jahrhundert den Namen „Stadt der Paläste“ ein, doch das unangenehme feuchte Klima, die modrigen Salzsümpfe und die schäbigen Hütten, die rund um die Stadt errichtet wurden, sorgten für unhygienische Verhältnisse und waren eine Quelle der Armut und Krankheit.

Die wohlhabende Elite der Stadt, zu der auch bengalische Kaufleute gehörten, erhielt das Etikett bhadra lok, die „guten Leute“. Rudyard Kipling, der Autor des Dschungelbuches, verzerrte diese Bezeichnung in seiner Darstellung der bandar lok („Affenmenschen“). Ebendiese Schicht war für die kulturelle Blüte des 19. Jahrhunderts verantwortlich, die man Bengalische Renaissance nennt.

Bis 1911 war Kolkata Hauptstadt der Kolonie Britisch-Indien und Sitz des Generalgouverneurs der Ostindien-Kompanie, der ab 1858 zugleich das neu geschaffene Amt des britischen Vizekönigs innehatte. 1813 wurde auch ein Bischofssitz ins Leben gerufen.

Konsolidierung

Kolkatas Bedeutung als internationaler Hafen schwand mit der Eröffnung des Sueskanals 1869, mit dem Aufstieg Mumbais und mit dem Ende des Opiumhandels. 1911 fand die glorreiche Zeit ihr definitives Ende, als Indiens Hauptstadt nach Delhi verlegt wurde. Seitdem ist Kolkata Hauptstadt des Bundesstaates Westbengalen.

Kultur und Sehenswürdigkeiten

Museen

Das 1814 gegründete Indische Museum (Indian Museum), an der Kreuzung Chowringhee Road und Sudder Street gelegen, ist das älteste und größte des Landes. Das gegenwärtige, um einen zentralen Hof angelegte Gebäude mit hohen Decken wurde 1878 eröffnet und stellt als eines der größten Museen Asiens vielfältige Exponate aus – von Skulpturen bis hin zu naturgeschichtlichen Objekten.

Zu sehen ist eine Sammlung von Stein- und Metallskulpturen, in deren Mittelpunkt ein großartiges Löwenkapitell aus Sandstein aus dem 3. Jahrhundert v. Chr. steht. Eine Abteilung stellt Überreste des buddhistischen Stupas aus Bharhut in Madhya Pradesh aus dem 2. Jahrhundert v. Chr. aus. Zu den weiteren Exponaten gehören Steinskulpturen aus Khajuraho sowie Bilder der Company School, einer Gruppe indischer Künstler des 19. Jahrhunderts, die mit westlichen Techniken und Themen für europäische Mäzene tätig waren.

Unmittelbar nördlich der St. Paul’s Cathedral lädt das Birla Planetarium, das größte Asiens und eines der größten der Welt, zu mehreren Vorführungen täglich ein.

Bauwerke

Das wirtschaftliche und administrative Zentrum Kolkatas ist Dalhousie Square, was sich auf den Generalgouverneur von Britisch-Indien, Lord Dalhousie. bezieht. Er regierte von 1847 bis 1856. Im Zentrum des Platzes befindet sich das große Wasserbecken Lal Dighi.

Das 1868 an der Stelle des einstigen Fort William errichtete Hauptpostamt (General Post Office) im Westen des Platzes verbirgt angeblich hinter seinen Mauern das berüchtigte Black Hole of Calcutta. In einer heißen Juninacht des Jahres 1756 pferchten Schergen von Sultan Siraj-ud-Daula 146 englische Gefangene in eine kleine Kammer, die nur durch winzige Fensterschlitze belüftet wurde. Am nächsten Morgen waren die meisten erstickt. Die Wachen hatten die sich abzeichnende Tragödie nicht erkannt, und Siraj-ud-Daula war bestürzt, als ihn die Nachricht erreichte. Als Robert Clive die Macht über Kolkata zurückgewann, ließ er das 1756 durch Siraj-ud-Daula zerstörte Fort an der heutigen Stelle auf dem Maidan wieder aufbauen.

Nördlich des Platzes wurde 1780 das Writers’ Building errichtet, in dem die Beamten (writers) der Britischen Ostindien-Kompanie untergebracht sind. Ein Symbol von Kolkatas schottischer Tradition ist die graue Spitze der St Andrew’s Kirk, die sich nordöstlich des Dalhousie Square erhebt. Die schottische Kirche wurde 1818 trotz des starken Widerstands von Seiten der Anglikanischen Gemeinschaft errichtet.

Weiter östlich steht in der Mission Row, der ältesten Straße der Stadt, die 1770 von dem schwedischen Missionar Jahann Kiernander gegründete Alte Missionskirche. Die St John’s Church südlich des Hauptpostamtes geht auf das Jahr 1787 zurück. Im Inneren hängt neben Gedenktafeln an britische Einwohner und den ersten Bischof von Kolkata, Bischof Middleton, ein Abendmahl-Gemälde von Johann Zoffany, auf dem prominente Bürger der Stadt als Apostel dargestellt sind. Auf dem ältesten Friedhof der Stadt befindet sich auch das Grab von Job Charnock, dem Gründer der britischen Handelsniederlassung in Kolkata.

Das Gebiet südlich des Platzes wird vom Government House dominiert. Das Gebäude überschaut den Norden des Maidan und die Prachtstraße Red Road. Bis 1911 diente das Gebäude den britischen Generalgouverneuren und Vizekönigen als Residenz, heute ist es unter dem Namen Raj Bhavan die offizielle Adresse des Gouverneurs von Bengalen. Bei seinem Bau Ende des 18. Jahrhunderts sollte ein Palast nach dem Vorbild des Herrenhauses Kedleston Hall im englischen Derbyshire entstehen. Das durch einen hohen Eisenzaun vom Rest der Stadt abgeriegelte Haus kann durch vier prachtvolle Tore betreten werden. Neben dem einstigen Thronraum Georgs V. (1865–1936) und einem imposanten Ballsaal mit Kronleuchtern ist auch Kolkatas erster Aufzug zu bewundern. Zu den über das Grundstück verteilten Trophäen gehören eine bronzene Kanone auf einem geflügelten Drachen, die während der Opiumkriege in Nanjing (China) erobert wurde, sowie Messingkanonen aus den Afghanistan-Feldzügen.

Fort William

Die Festung wurde an der Stelle des alten Dorfes Gobindapur nach der Niederlage der East India Company von 1756/58 in Auftrag gegeben, 1781 fertiggestellt und nach dem engl. König William III. (1650–1702) benannt. Das verzerrte Achteck mit einem Durchmesser von rund 500 Metern hat massive, niedrige Wehrmauern und sechs Tore. Seine Anlage sollte die gesamte europäische Gemeinde der Stadt im Falle eines Angriffs aufnehmen können, musste aber nie verteidigt werden.

Zu den Toren von Fort William führt vom Ende der Park Street eine Straße westlich durch die Parkanlage des Maidan.

Victoria Memorial

Der Stolz von Kolkata ist das am südlichen Ende des Maidan gelegene auffällige Victoria Memorial (natürlich nach Königin Victoria, 1819-1901) aus weißem Marmor mit seinen formal gestalteten Gärten und Wasserläufen.

Das außergewöhnliche Gebäude mit neuromanischen Statuen über dem Eingang, mogulischen Eckkuppeln und eleganten hohen Kolonnaden an den Seiten wurde von dem britischen Außenminister Lord George Nathaniel Curzon (1859–1925) geplant, um dem Empire zur Zeit seiner höchsten Blüte ein Denkmal zu setzen. Entworfen wurde es von Sir William Emerson (1843–1924), fertiggestellt im Jahre 1921.

St. Paul’s Cathedral

Die nahe dem Victoria Memorial gelegene St. Paul’s Cathedral wurde 1847 unter Major W. N. Forbes errichtet. Das Eisenträgerdach mit den Maßen 75 mal 24 Meter war damals das weltweit längste seiner Art. Für eine bessere Belüftung erstrecken sich die Spitzbogenfenster bis auf Fußleistenniveau, und an den Decken hängen große Ventilatoren.

Unter vielen gut erhaltenen Erinnerungsstücken und Gedenktafeln ragt das Buntglasfenster heraus, das Sir Edward Burne-Jones (1833–1898) im Jahre 1880 zu Ehren des britischen Generalgouverneurs Lord Mayo (1822–1872) entwarf. Die ursprüngliche Kirchturmspitze wurde 1897 durch ein Erdbeben zerstört, nach einem weiteren Erdbeben im Jahre 1934 wurde sie dem Bell Harry Tower der Kathedrale von Canterbury nachgestaltet.

Marble Palace

Nördlich der MG Road an der Muktaram Babu Street, einer Seitenstraße der Chittaranjan Avenue, präsentiert der Marble Palace (Marmorpalast) seine Kostbarkeiten. Das imposante Herrenhaus mit Säulen wurde 1835 von Raja Rajendro Mullick Bahadur, einem reichen zamindar (Landbesitzer) errichtet. Es zeugt von den vielfältigen Einflüssen, denen seine Epoche ausgesetzt war. Die Nachfahren des Raja bewohnen noch heute den Palast, dessen Name sich auf die reich verzierten Marmorzimmer zurückführen lässt.

Sie sind mit Statuen, europäischen Antiquitäten, belgischem Glas, Kronleuchtern, Spiegeln und Ming-Vasen ausgestattet. Zu den Gemälden gehören Werke von Peter Paul Rubens, Tizian, Joshua Reynolds und Thomas Gainsborough. Erwähnung verdienen auch ein Bild von Ravi Varna – ein Porträt einer Frau, deren Augen dem Betrachter überallhin folgen – sowie eine Darstellung von fünf galoppierenden Pferden, die ihre Richtung zu verändern scheinen, während man an ihnen vorbeigeht.

Kalighat

Kolkatas wichtigster Tempel Kalighat (fünf Kilometer südlich der Park Street) steht im Zentrum eines dicht bewohnten Viertels. Der schlichte, typisch bengalische Tempel mit der gebogenen Dachform wurde 1809 aus Ziegeln und Mörtel errichtet und ist der schwarzen Göttin Kali, einer Shakti-Form, geweiht.

Der Legende zufolge geriet Shiva nach dem Tod seiner Frau Sati in Raserei und begann mit ihrem toten Leib zu tanzen, so dass die gesamte Welt erbebte. Die Götter versuchten ihn auf unterschiedliche Art zu bändigen, bis schließlich Vishnu seinen Sonnendiskus schleuderte und den toten Körper in 51 Teile zerstückelte. Jeder Ort, an dem eines dieser Teile zu Boden fiel, wurde zu pitha, einer Pilgerstätte für Anbeter des weiblichen Prinzips der Göttlichkeit – Shakti. Der Tempel Kalighat kennzeichnet den Ort, an dem ihr kleiner Zeh zu Boden fiel.

Parks

Das Herzstück der Stadt bildet der „Maidan Park“, der Stadtbewohner aller Schichten zu Ausstellungen und politischen Versammlungen, Sport und Müßiggang anzieht. Der „Maidan“ ist eine der größten städtischen Parkanlagen der Welt. Der Ursprung des Parks geht auf das Jahr 1758 zurück, als das heute eher unauffällige Fort William in Flussnähe gebaut wurde und der britische Offizier, Lord Robert Clive (1725–1774), Waldgebiete roden ließ, um freie Schusslinie für seine Geschütze zu schaffen.

Heute treiben die Einwohner dort Frühsport, Reiter galoppieren über die alten Wege und Schäfer bringen ihre Herden zum Grasen. Freizeitsportler finden sich am Nachmittag zu spontanen Fußball- und Cricketspielen oder zu Kabaddi-Wettbewerben zusammen. Jedes Jahr im Januar findet hier die Kolkata Book Fair, die größte Buchmesse des Landes, statt.

Der Botanische Garten in Shibpur liegt zehn Kilometer südlich des Bahnhofs in Haora am Westufer des Hugli. Erst nach Öffnung der zweiten Hugli-Brücke haben die Stadtbürger die 109-Hektar-Anlage wiederentdeckt, die 1786 zur Entwicklung indischer Teesorten erschlossen wurde. Der Garten ist die Heimat von zahllosen Vogelarten, zu denen Watvögel, Kraniche und Störche gehören. Berühmteste Sehenswürdigkeit ist der weltweit größte Banyanbaum, der 24,5 Meter hoch ist und einen Umfang von 420 Meter aufweist. Er entstand Mitte des 18. Jahrhunderts und hat die Zyklone von 1864 und 1867 überlebt, denen jedoch sein Hauptstamm zum Opfer fiel. Seine 1825 Luftwurzeln fallen vom oberen Gezweig Richtung Boden hinab und vermitteln den Eindruck eines kleinen Waldes. An anderer Stelle säumen Palmen kleine Seen und Teiche mit Fußgängerbrücken. Sehenswert sind auch das Palmenhaus, das Orchideenhaus, das Herbarium und die Farnhäuser.

Nicht weit von der Rennbahn in Alipur (anglisierend auch Alipore) entfernt und gegenüber dem luxuriösen Taj Bengal Hotel gelegen, besitzt der Zoologische Garten Alipur so seltene Geschöpfe wie Tigon (Kreuzung aus Tiger und Löwe), Litigon (Kreuzung aus Löwe und Tigon) oder Litatitigon. Der Tiergarten hat außerdem weiße Tiger aus Rewa, ein Reptilienhaus und ein Aquarium.