Abtei Thelema

Die Abtei Thelema (auch: Abtei von Thelema, engl. Abbey of Thelema) war eine magisch-religiöse Gemeinschaft, die von dem britischen Okkultisten Aleister Crowley 1920 nahe der sizilianischen Stadt Cefalù gegründet wurde.
Der Name ist dem Roman Gargantua und Pantagruel von François Rabelais (1494–1553) entlehnt. Rabelais beschreibt darin unter anderem, wie der Riese Gargantua die Abtei Thélème bauen lässt, die das Gegenstück zu einem gewöhnlichen Kloster darstellt: In ihr leben Männer und Frauen gemeinsam einzig ihrem Willen gemäß nach der einzigen Regel, keine Regel zu haben. Indem alles erlaubt ist, kann jeder zu jeder Zeit tun und lassen, was er will. Crowleys Devise des neuen Zeitalters lautete analog: „Tu, was du willst“. Auch die Bezeichnung Thelema für die von Crowley begründete neureligiöse Bewegung leitet sich davon ab.

Am 14. April 1920 wurde der Mietvertrag für die Villa Santa Barbara von Sir Alastor de Kerval (Crowley) und Contessa Lea Harcourt (Leah Hirsig) unterzeichnet. Crowley richtete zusammen mit einigen Anhängern seine „Abtei Thelema“ dort ein.
Zum Kern der Thelemiten zählten neben Crowley die Lehrerin Leah Hirsig und die ehemalige französische Gouvernante Ninette Shumway. Die meisten der zahlreichen Gäste, die sich in den nächsten drei Jahren einfanden, kamen aus England. Hirsig und Crowley hatten eine gemeinsame Tochter, Anna Leah, die den Kosenamen Poupée erhielt. Nach deren Tod am 19. Oktober 1920 eskalierten die Auseinandersetzungen und veranlassten die Polizei 1921 zu einer Razzia in der Abtei. Innerhalb der Abtei mussten sich die Männer die Köpfe bis auf eine Phalluslocke kahlscheren, denn die Stirnlocke galt als Symbol für die magische Kraft des Horus oder die Hörner des Pan. Die Frauen trugen hellblaue, purpurgesäumte, lose fließende Roben mit Kapuze und hatten sich die Haare rot oder golden zu färben, was als Symbol der „Frau in Scharlach“ galt. Das Lesen von Zeitungen war verboten. Jeder hatte ein magisches Tagebuch zu führen, das Crowley zur Kontrolle vorzulegen war.
An diesem Ort sollte ein spirituelles Zentrum entstehen, ein Collegium ad spiritum sanctum. Drei Jahre lang lebten Crowley und seine Anhänger hier nach selbstauferlegten Regeln. In dieser Zeit wurde die Gemeinschaft auch von vielen Gästen besucht, die sich für Crowleys magisch-rituelle Praktiken interessierten. Die Finanzierung des Projekts und das Zusammenleben in dem Landhaus gestalteten sich jedoch schwierig. Zudem erweckten die Rituale und der Drogenkonsum das Misstrauen der Einheimischen und schließlich auch der Behörden. Als 1923 der britische Student Raoul Loveday, einer der Gäste der „Abtei“, verstarb, wurde Aleister Crowley von der italienischen Regierung des Landes verwiesen. Die Kommune wurde noch von wenigen „Thelemiten“ eine Zeit lang weitergeführt, doch führte die Abwesenheit Crowleys bald zur Aufgabe des Projekts.

Gerüchten nach soll durch die Tätigkeiten der Thelema an der Stelle der Villa ein Tempel des Ra-Hoor-Khuit (auch Re-Harachte oder englisch Ra-Horakhty) in der Geisterwelt existieren.